Christian Krainer, ÖWG Wohnbau
Wohnblicke
Christian Krainer, ÖWG Wohnbau
Wie hat die Pandemie den Wohnungsmarkt in der Steiermark verändert und was bedeutet das für die Rolle der Gemeinnützigen?
Eines ist ganz klar ersichtlich: Der Wunsch nach Grünraum und Balkon wurde bei den BewohnerInnen noch größer. Ein weiterer Trend geht in Richtung eines zusätzlichen Zimmers, auch bei verminderter Raumgröße. Die Wohnungsgrößen haben sich ja schon vor der Pandemie verändert: Im Laufe der letzten Jahre hat sich beispielsweise bei der ÖWG die durchschnittliche Wohnungsgröße von 76 m2 auf unter 70m² gewandelt.
Die Rolle der Gemeinnützigen Wohnbauträger als Garant für leistbares, familiengerechtes Wohnen wird in Zukunft eine noch wichtigere sein. Denn die Errichtungskosten gehen zurzeit geradezu durch die Decke, da die Preise für Rohstoffe und Materialien wie Bleche, Dämmstoffe oder auch Holz enorm angestiegen sind.
Wie nachhaltig baut ÖWG Wohnbau?
Nachhaltigkeit ist bei uns ein sehr breit gelebter Begriff. So erfüllen wir den vorgegeben Holzbauanteil bei weitem, wir lassen die beinahe unbegrenzt verfügbare Energiequelle Sonne in unsere Häuser einfließen und nutzen, wo immer es möglich ist, Solarenergie für die Warmwasserversorgung. Photovoltaik wird kosteneffizient eingesetzt und auch die Versorgung etwaiger E-Fahrzeuge wird sinnvoll bedacht: teilweise mit Steckdosen oder auch mit Leerverrohrungen zum späteren Nachrüsten.
Wir denken ebenso darüber nach, dass aktuelle Dämmstoffe nicht immer die nachhaltigste Möglichkeit darstellen – wir hinterfragen bei jeden Projekt alternative Bausysteme z. B. mit Ziegel oder hinterlüfteten Fassaden, um auch so das energetische Einsparungspotenzial voll auszuschöpfen.
Nachhaltigkeit bedeutet für uns aber auch, dass wir nicht „nur“ Wohnbauprojekte „isoliert“ entwickeln, sondern uns auch Gedanken über den städtebaulichen Charakter bis hin zur Ortsbildausprägung machen. Hier spielt genügend Grünraum im Allgemeinbereich eine wichtige Rolle oder auch die Begrünung von Flachdächern, Überstandslösungen und Beschattungen, um eine bestmögliche Klimatisierung auf natürlichen Wege zu gewährleisten. Damit können herkömmliche Klimaanlagen als „Klimafresser“ verzichtbar bleiben.
Welches aktuelle Projekt ist für ÖWG Wohnbau wegweisend und warum?
Mit dem Projekt „Flex Living“ setzen wir neue Maßstäbe. Hier denken wir Wohnen neu, es geht um ein echtes Nachhaltigkeitskonzept, das mit den BewohnerInnen mitwächst oder auch „schrumpft“ und zusätzlich mobil ist. Es entsteht gerade in der Starhemberggasse als Pilotprojekt und wird in großem Umfang weit über die Grenzen der Steiermark ausgerollt werden.
Auf welche Bevölkerungsgruppe dürfen wir im Wohnbau, in der künftigen Planung nicht vergessen?
Das klassische gemeinnützige Wohnungswesen ist im Umbruch. Grundsätzlich wird man auch in Zukunft keine Bevölkerungsgruppe ausklammern. Was sich zurzeit herauskristallisiert ist, dass die Entscheidungsträgerinnen jüngeren Frauen sind. Die Bedürfnisse werden in Summe immer breiter: Wir tendieren als Gesellschaft klar zum Single-Wohnen, aber auch das Thema Homeoffice wird uns zukünftig begleiten. Wir bleiben also offen für die Anforderungen unserer BewohnerInnen.
Ein wichtiger gesellschaftspolitischer Aspekt ist, dass wir uns unseren sozialen Frieden auch durch den Wohnraum erhalten. Warum ist die Lage zum Beispiel in Frankreich eine andere als bei uns? Dort gibt es seit Jahrzehnten eine Ghettobildung. Menschen leben in großen, unstrukturierten Wohnanlagen, die Ausgrenzung sozialer Gruppen gehört zum Alltag und viele sind in hohem Maße unzufrieden. Es gibt eine große Altersarmut, einige haben drei Jobs, um überhaupt überleben zu können, und das alles spielt sich in Satellitenstädten ab. In Österreich leben wir eine kluge und ausgewogene Wohnungspolitik, die sehr stark durch die Gemeinnützigen Wohnbauträger mitgeprägt wurde und daher sind uns Gott sei Dank solche Bedingungen weitgehend fremd.